„Ich dachte, ich würde abgeben, doch in Wirklichkeit bekomme ich ganz viel.“

Immer wieder hören wir, wie beglückend es ist, Familien aus anderen Ländern zu begleiten. Lesen Sie hier den Beitrag eines Ehrenamtlichen über persönliche Begegnungen, die bereichern:

„Uns geht es gut, wir haben viel von allem! Jetzt ist es Zeit zu teilen“, dachte ich. Ich nahm Kontakt zum Flüchtlingswohnheim auf. Seitdem kümmere ich mich um die Kinder einer syrischen Familie. Ich wollte abgeben, von dem, was wir im Überfluss haben und was woanders fehlt. Ich wollte weitergeben, was wir hier mit Leichtigkeit erlernen und was sich andere vielleicht schwer erkämpfen müssen.

Die persönlichen Begegnungen, die ich seitdem genießen darf, sind so herzlich und bereichern sehr: Wie schön ist es, mit den Kindern zu spielen und zu sehen, wie sie immer besser deutsch sprechen. Wie aufregend ist es, bei einem Ausflug Dinge zu entdecken, die für uns ganz alltäglich sind. Und wie wunderbar ist das Gefühl, bei einem Chai willkommen zu sein. Die Schicksale, die hinter der Flucht stecken und die Strapazen, die die Menschen auf sich genommen haben, kann man sich nur schwer vorstellen. Die tägliche Bedrohung durch den Krieg relativiert, was einem im Alltag manchmal Kopfzerbrechen bereitet. Wie oft ärgert man sich bei der Arbeit oder ist jeden Tag irgendwie immer im Stress. All das erscheint angesichts dieser Lebensgeschichten so nichtig.

Mir macht es große Freude, der Familie Dinge aus unserem ganz normalen Leben hier in Deutschland zu zeigen, um sie damit ein bisschen in unseren Alltag zu integrieren. Das kann ein Besuch beim Kinderfest sein, Drachen steigen lassen, auf dem Sportplatz toben, ein Besuch in der Oper, gemeinsam Lieder singen, schwimmen im Maschsee oder einfach nur ein Buch vorlesen. Dabei lerne aber auch ich sehr viel über die fremde Kultur und Lebensgewohnheiten – wie auf einer Reise in ein anderes Land. Vermutlich integrieren wir uns gegenseitig mit viel Freude, Neugier und Wertschätzung. Man darf das wohl als eine Win-Win-Situation bezeichnen. Was ich auch gelernt habe, ist, dass man sich gut kennenlernen kann, auch wenn man sich mit Sprache nur wenig verständigt. Für einen herzlichen Kontakt braucht man gar nicht viele Worte, das geht besonders gut über gemeinsame Erlebnisse.

Es gibt viele Wege, den Flüchtlingen einen guten Start in ihr Leben in Deutschland zu geben. Im direkten Kontakt z.B. beim deutsch lernen helfen, mit den Müttern kochen, mit den Kindern spielen, gemeinsame Unternehmungen, Kleider- oder Geldspenden oder indem man weitere Hilfsprojekte organisiert. Ich habe mich gefragt, wo meine persönlichen Stärken liegen und was ich gerne tue. Wenn ich das dann einsetze, macht helfen auch noch richtig Spaß! Bestimmt kann jeder etwas besonders gut oder hat von etwas besonders viel; Organisationstalent, Zeit, Wissen, Unternehmungslust, Spielfreude, materielle Werte…All dies verdoppelt sich, wenn man es teilt.

Ich dachte, ich würde abgeben, doch in Wirklichkeit bekomme ich ganz viel, das sich in Geld gar nicht ausdrücken lässt, nämlich herzliche Momente, die mich bereichern.

M.R.

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